EuGH entscheidet über die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie auf Gibraltar

Zusammenfassung

Am 2. April 2020 erließ der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) seine Vorabentscheidung in der Rechtssache GVC Services (Bulgaria) EOOD gegen den Direktor na Direktsia "Obzhalvane i danachno-osiguritelna praktika" – Sofia (Rechtssache C-458/18). In dem Fall wurde die Anwendung der Mutter-Tochter-Richtlinie (PSD) der Europäischen Union (EU) (Richtlinie 2011/96/EU des Rates) auf Unternehmen in Gibraltar untersucht.

In seinem Urteil entschied der EuGH, dass in Gibraltar gegründete Unternehmen, die der Körperschaftsteuer Gibraltars unterliegen, nicht als von der PSD der EU erfasst angesehen werden sollten. Dementsprechend sind die EU-Mitgliedstaaten auch nicht dazu verpflichtet, die Befreiung von der Dividendenverrechnungssteuer auf die Muttergesellschaften von Gibraltar auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie auszudehnen.

Ausführliches Gespräch

Hintergrund

Die PSD wurde erstmals am 23. Juli 1990 herausgegeben und nach mehrmaliger Änderung wurde 2003 eine überarbeitete Fassung angenommen. Die PSD wurde entwickelt, um steuerliche Hindernisse für Gewinnausschüttungen zwischen Mutter- und Tochtergesellschaften mit Sitz in verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen. Die Richtlinie sieht daher eine Steuerbefreiung für Dividenden und andere Gewinnausschüttungen vor, die von Tochtergesellschaften an ihre Muttergesellschaften gezahlt werden.

Im entsprechenden Fall ist GVC Services ein bulgarisches Unternehmen, dass IT-Dienstleistungen erbringt. GVC Services ist zudem vollständig im Besitz eines in Gibraltar ansässigen Unternehmens (PGB Limited). GVC Services schüttete Dividenden an seine Muttergesellschaft in Gibraltar aus und hielt keine Steuern ein, da diese Ausschüttung in den Anwendungsbereich der PSD fiel. Die bulgarischen Steuerbehörden waren mit dieser Behandlung jedoch nicht einverstanden und erließen einen Steuerbescheid.

EuGH-Urteil

Im Anschluss an die Schlussanträge von Generalanwalt Hogan vom Oktober 2019 hat der EuGH entschieden, dass die PSD nicht für in Gibraltar eingetragene Unternehmen gilt. Die PDS gilt für eine "Gesellschaft eines Mitgliedstaats", d. h. jede Gesellschaft, die i) eine der in Anhang I Teil A aufgeführten Formen annimmt; ii) nach dem Steuerrecht eines Mitgliedstaats steuerlich als in diesem Mitgliedstaat ansässig gilt und nach einem mit einem Drittstaat geschlossenen Doppelbesteuerungsabkommen nicht als außerhalb der Union steuerlich ansässig gilt; und iii) einer der in Anhang I Teil B aufgeführten Steuern unterliegt.

Der EuGH entschied, dass eine in Gibraltar gegründete gesellschaftliche Gesellschaft, die der Körperschaftsteuer Gibraltars unterliegt, nicht als Gesellschaft eines Mitgliedstaats im Sinne der PSD angesehen werden kann. Gibraltar ist nicht in der erschöpfenden Liste sowohl der Unternehmen (Anhang I Teil A) als auch der Steuern (Anhang I Teil B), für die die PSD gilt, enthalten. In der Rechtssache Gaz de FranceBerliner Investissement (C247/08) hat der Gerichtshof aus Gründen der Rechtssicherheit ausdrücklich die Möglichkeit abgelehnt, den Anwendungsbereich der PSD aus Gründen der Rechtssicherheit analog auf andere als die in Anhang I Teil A aufgeführten Gesellschaftsformen auszudehnen. Auch nach den Erklärungen der Regierung des Vereinigten Königreichs (UK) wird eine Gibraltar-Aktiengesellschaft weder als nach britischem Recht gegründet angesehen, noch gilt eine Gibraltar-Gesellschaft als der britischen Körperschaftsteuer unterliegend.

Da die Muttergesellschaft von Gibraltar nicht in den Anwendungsbereich der PSD fällt, ist Bulgarien nicht dazu verpflichtet, die Befreiung von der Dividendenverrechnungssteuer auf die Muttergesellschaften von Gibraltar auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie auszudehnen.

Da das vorlegende Gericht dies nicht vorgeschlagen hat, hat sich der EuGH nicht dazu entschieden, ob die Ablehnung der Quellensteuerbefreiung gegen die Grundfreiheiten des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) verstößt und es somit den bulgarischen Gerichten überlassen, zu entscheiden, ob die inländische Quellensteuer mit dem Primärrecht der Union im Einklang steht. In seinen Schlussanträgen vom Oktober 2019 hat sich Generalanwalt Hogan zum Vorliegen einer Diskriminierung geäußert und ist zu dem Schluss gekommen, dass die Weigerung, Dividenden, die von in einem Mitgliedstaat ansässigen Tochtergesellschaften an ihre in Gibraltar ansässigen Muttergesellschaften gezahlt werden, nicht durch eine allgemeine Regel wie im vorliegenden Fall von der Quellensteuer zu befreien ist. Vielmehr kann eine solche Ablehnung nur das Ergebnis der Anwendung einer Maßnahme zur Missbrauchsbekämpfung auf die Umstände eines Einzelfalls sein.

GVC Services erhob Klage vor den bulgarischen Gerichten. Am 12. Juli 2018 verwies das Verwaltungsgericht Sofia die Angelegenheit zur Vorabentscheidung an den EuGH.

Implikationen

Diese Vorabentscheidung des EuGH kam nicht überraschend; Während es Unsicherheit über die Position von Gibraltar- und Gibraltar-Unternehmen gemäß den Steuerrichtlinien der EU gegeben hatte, war es in Wissenschaft und Praxis allgemein anerkannt, dass Gibraltar-Unternehmen nicht in den Anwendungsbereich der PSD fallen. Derzeit ist jedoch zu beachten, dass Gibraltar durch den Brexit ein neues Verhältnis zur EU haben wird und dementsprechend auch neue Fragen aufkommen können.

Gesellschaften mit Unternehmen mit Sitz in anderen Rechtsordnungen mit besonderen Beziehungen zur EU (z. B. Andorra, Insel Aland, Madeira, Monaco, Malta usw.) sollten die Auswirkungen dieses Urteils auf ihre Strukturen bewerten. Eine solche Bewertung muss jedoch von Fall zu Fall erfolgen, da jedes EU-Gebiet seine eigene Regelung und Beziehung zur EU haben kann.

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