Die Insel des Milliardärs
Die Pandora Papers haben die geheimen Steuertricks der Reichen und Mächtigen wieder ins allgemeine Bewusstsein gerufen. Der britische Milliardär Richard Branson hatte sich schon vor Jahrzehnten dazu entschieden, in die Karibik umzuziehen und Großbritannien für immer zu verlassen. Der Umzug ins steuergünstige Ausland, wir sagen es immer wieder, ist die Maßnahme mit der maximalen steuerlichen Hebelwirkung. Das war auch Richard Branson klar.
Träume müssen nicht Schäume bleiben
Wer träumt nicht davon, eine eigene Insel zu bewohnen? Jeden Morgen barfuß den palmengesäumten Strand entlangzuschlendern und dabei steuerfrei zu leben? Richard Branson lebt diesen Traum.
Der britische Unternehmer galt in einem Vorort im Südosten von London als schlechter Schüler und gründete 1970 sein erstes kleines Unternehmen, das Schallplatten verschickte. Inzwischen gehört der Name „Virgin“ zu den größten Musikfirmen der Welt; damals aber wurde dem kleinen Laden eine hohe Geldstrafe aufgebrummt, nachdem Branson per Zufall herausbekam, dass man die Steuer umgehen könne, indem die Schallplatten nach Belgien exportierte und sofort wieder einführte. Ein Jahr später produzierte Branson mit dem noch völlig unbekannten Bassisten Mike Oldfield in seinen neu gegründeten Tonstudios. Oldfield wurde mit Hits wie „Moonlight Shadow“ weltberühmt und Branson Millionär. Die Arrangements des Musikers legten den Grundstein für Bransons weitere unternehmerische Tätigkeiten. Inzwischen macht Bransons Virgin Group einen jährlichen Umsatz von über 21 Milliarden Dollar.
Eine Insel für 180.000 Dollar
Schon 1979 kaufte sich Branson seine eigene Privatinsel für nur 180.000 Dollar. Necker Island auf den Britischen Jungferninseln (die Namensgleichheit zu seiner Unternehmensgruppe ist zwar passend, aber rein zufällig) war lange Zeit unbewohnt. Benannt nach einem niederländischen Seemann sollten 1965 zwei Journalisten drei Wochen auf der Insel verbringen, brachen das Robinson-Experiment aber nach 15 Tagen ab. Branson ließ eine exklusive Villa auf der 29 Hektar großen Insel errichten und stieg damit auch ins Tourismusgeschäft ein. Ab 5.000 Dollar pro Nacht inklusive Mahlzeiten und – auch alkoholischen – Getränken öffnet Branson die inzwischen gewachsene Zahl an Häusern und Villen zu ausgewählten Wochen im Jahr.
Während dieser sogenannten Celebration Weeks, die üblicherweise nur jeweils zwei Wochen in nicht mehr als vier Monaten dauern, stehen 17 Häuser, Suiten und Zimmer zur Verfügung, deren Mieteinnahmen direkt in die Virgin Group fließen. Den Rest des Jahres lebt Branson selbst auf der Insel. Mit der zeitweisen Vermietung kann Branson Unterhalt und Instandsetzungen der Insel und ihren Häusern steuerlich absetzen. Letzten Endes gilt damit auch die Wasserrechnung, der Internet-Provider oder eine ausgetauschte Steckdose als Betriebsausgabe seiner Unternehmen, die ja wiederum an ihren Standorten steuerpflichtig sind, während Branson auf Necker Island selbst keiner Einkommensteuer unterliegt.
Die Stromrechnung als Betriebsausgabe
Der Kauf einer Privatinsel gestaltete sich für Branson damit als weitaus mehr als nur ein exklusives Domizil sein Eigen nennen zu dürfen oder einen eigenen Spielplatz für Superreiche besitzen zu können, sondern durch die Verfügbarkeit der Insel, also wohlgemerkt Bransons Privatgrundstück, als Feriendomizil, kann der Brite damit seine alltäglichen Ausgaben zum Haushaltsunterhalt gleich steuerlich geltend machen. Ein kluger Schachzug!
Neben der Musikproduktion ist vor allem die Fluglinie Virgin Atlantic das Aushängeschild der Unternehmensgruppe. Doch mit dem Einsetzen der Corona-Krise wollte, konnte und durfte kaum noch jemand fliegen. Branson pumpte daher über 250 Millionen Dollar seines Privatvermögens in die Airline und machte zuletzt in der internationalen Presse von sich reden, als er die britische Regierung um Unterstützung zur Rettung der Fluglinie bat.
Hilfsgelder für den Milliardär?
Es mag skurril klingen, wenn der Multimilliardär Branson die Regierung Englands um Hilfe bittet, also grade derjenige, der das Mutterland Richtung Virgin Islands verlassen hat, so zumindest der kritische Tenor der Medien. Doch allein an Virgin Atlantiv hängen über 70.000 Jobs. Die britische Regierung hat also durchaus ein Eigeninteresse an der Rettung des Unternehmens. Auch die Kritik, Branson habe ja selbst genug Vermögen, um seine Firmen am Laufen zu halten, kann objektiv nur oberflächlich verhallen.
In Wahrheit nämlich verfügt Branson „nur“ über ein Barvermögen von etwa 600 Millionen Dollar. Der ihm zugeschriebene Reichtum von fast fünf Milliarden Dollar berechnet sich nämlich aus dem Gesamtwert seiner Firmen und Immobilien. Branson selbst beteuert aber, über Jahre hinweg kaum Gewinne entnommen zu haben. „Ich habe in meiner Karriere mehr Reichtum anhäufen können, als ich für mein ganzes Leben brauchen würde“, schriebt Branson auf seinem Blog, „Ich würde nie nur aus Steuergründen irgendwo hinziehen, wo ich nicht auch sonst gerne leben würde.“
Er und seine Frau Joan hätten England schon weit vor dem bombastischen Erfolg verlassen, Necker Island kaufte er immerhin schon mit nur 29 Jahren und schuf damit 175 Arbeitsstellen in der Region. Inzwischen pendeln die Angestellten von anderen Inseln sogar per Privatfähre und Hubschrauber allmorgendlich zur Arbeit – man kann sich unangenehmere Jobs vorstellen.
Als Branson noch 29 war, war er bei weitem noch nicht der Mogul, der er heute ist. Von daher mag seine Erklärung sogar glaubwürdig sein, er sei auf die Insel gezogen, weil es ihm einfach gefallen habe. In der Tat entfallen auf den Britischen Jungferninseln keine Steuern, während in Großbritannien die Hälfte allein durch die Einkommensteuer weg wäre. Das Schöne und das Nützliche lassen sich also durchaus miteinander kombinieren.
Nach eigenen Angaben verdient Branson etwa elf Millionen Dollar pro Jahr aus Vorträgen und Präsentationen, die er für die ebenfalls von ihm gegründeter Virgin Unite Stiftung hält, die junge Entrepreneure weltweit unterstützt. Der 63jährige lebt überwiegend von dem, was er bisher eingenommen hat und hat nachweislich kaum Dividenden aus seinen Unternehmen entnommen.
Das steuerfreie Inselleben für jedermann
Auch, wer kein Richard Branson ist und über kein Milliardenvermögen verfügt, hat die Möglichkeit, sich vielleicht nicht auf seine eigene Privatinsel zurückzuziehen, wohl aber ein Plätzchen an der Sonne zu suchen, das ihm wenig bis gar nichts wegnimmt und einen angenehmen Lebensraum bietet. Während die Karibikstaaten nicht ohne Grund als teuer verschrien sind, ist der Effekt auf Zypern oder Malta aber ähnlich und auch für Menschen mit deutlich geringerem Einkommen lohnenswert. Die Reduktion der Abgabenbelastung in Kombination mit ganzjährig gutem Wetter, günstigen Immobilien und einer deregulierten Geschäftswelt sollte damit doch das erreichbare Ziel eines jeden freiheitsliebenden Menschen sein – es geht auch ganz ohne Privatinsel.
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